Als Gelnhausens Landesliga-Team vor zwei Wochen sein vorletztes Saisonspiel in Obertshausen nach desaströser Leistung mit 1: 7 vergeigt hatte, durfte das Spieljahr 2006/ 2007 abgehakt werden. Obertshausen hatte die Barbarossastädter überholt und stand auf Platz 1, einen Mannschaftspunkt und 1,5 Brettpunkte vor Gelnhausen.
Die Ausgangssituation vor den Schlussrunden-Paarungen Dietzenbach – Obertshausen und Gelnhausen – Schachfreunde Frankfurt sah so aus: Bei einem Obertshäuser Sieg wären die Mannen aus dem Offenbacher Land Meister. Sollte Obertshausen 4: 4 spielen, müssten die Barbarossastädter mindestens einen 6: 2- Kantersieg gegen den Tabellendritten aus der Mainmetropole landen, um noch aufzusteigen. Frankfurt selbst musste gewinnen und Obertshausen verlieren, wollten die Schachfreunde Frankfurt noch an die Tabellenspitze gelangen.
Die Gelnhäuser mussten auch noch auf den erkrankten Armin Muth verzichten, konnten aber erstmals in dieser Saison Wolfgang Rohmann ans Brett bringen. In scheinbar aussichtsloser Lage hatten sie die Devise ausgegeben, den Gegner in wilden Partien anzugreifen.
Ullrich Müller, erfolgreichster Gelnhäuser in dieser Saison, hatte durchschlagenden Erfolg. Nach nur 10 Minuten seiner Bedenkzeit gewann er nach schneidiger Attacke zwei Figuren und sorgte für das 1: 0. Doch einer der Barbarossastädter überzog seinen Angriff und wurde tödlich ausgekontert.
Dieses 1:1 ließ Gelnhausen praktisch keine Chance mehr – und doch bedeutete es in höherem Sinne den Niedergang des Tabellenführers Obertshausen. Denn das Zwischen- ergebnis wurde von einem „Spion“ telefonisch nach Dietzenbach gemeldet. Dort beschlossen die Obertshäuser, kein Risiko mehr einzugehen, und schlossen alsbald mit Dietzenbach Frieden zu einem 4: 4.
Die Gelnhäuser aber hatten nichts mehr zu verlieren. Sebastian Bravo Lutz warf alle Figuren auf den Königsflügel und zertrümmerte die gegnerische Rochadestellung. Wolfgang Rohmann besetzte das Zentrum, sein Bauernsturm war nicht mehr zu stoppen. Dirk Sroka wickelte ins Turmendspiel ab, fiel über zwei isolierte gegnerische Bauern her und gewann im klassischen Stil.
Gelnhausen führte mit 4: 1 – aber wo sollten die beiden zum Titel fehlenden Punkte her kommen ? Der „Weiße Hai“ Michael Schmitt hatte einen Mehrbauern, doch der war kaum zu verwerten. Kapitän Berthold Weiß hatte einen Minusbauern, Igor Nefjodov hatte einen Läufer für zwei Bauern geopfert.
In dieser scheinbar ausweglosen Situation schüttete die Schachgöttin Caissa ihr Füllhorn über die Gelnhäuser Schachspieler aus. Der Gegner von Berthold Weiß konnte seinen Mehrbauern nicht verwerten und willigte ins Remis ein.
Der „Weiße Hai“ ließ cool seinen Freibauern marschieren. Sein Frankfurter Kontrahent erkannte nicht das Dreiecksmanöver, mit dem der Mops aufzuhalten war – und gab auf ! Riesenglück, die Barbarossastädter führten mit 5,5: 1,5. Alle umringten jetzt das Brett von Igor Nefjodov. Der Mann aus Stalinsk quälte sich. Es gelang ihm, die Bauern zu tauschen und eine Stellung herbeizuführen, in der der gegnerische Läufer nichts ausrichten konnte. Nach 80 Zügen stellte der Frankfurter seine Gewinnversuche ein.
Das war der Aufstieg! Mit dem sensationellen 6: 2- Sieg gegen Schachfreunde Frankfurt hatte Gelnhausen nach Mannschaftspunkten mit 14: 4 mit Obertshausen gleich gezogen. Nach Brettpunkten – sie entsprechen der Tordifferenz beim Fußball – hatten die Barbarossastädter aber jetzt einen halben Zähler mehr als Obertshausen.
Gelnhausen, „ewiger“ Abstiegskandidat der Landesliga, ist damit Meister und steigt in die Verbandsliga auf. Das ist die größte Sensation im Hessenschach der Saison 2006/ 2007!